Biodiversitätsmanagement |
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Der Mager­wiesen­margeriten­klein­rüssler oder: Warum nur das Verständnis von Biodiversität zu nachhaltigen Ergebnissen in Ihrer Arbeit führt.

Verfasst von Roland

Hier erfährst Du ...

Sie als NachhaltigkeitsmanagerInnen haben die Aufgabe, Ökonomie und Ökologie in Unternehmen miteinander zu versöhnen. Ein „Green Deal“ im wahren Sinne des Wortes ist Ziel Ihrer Arbeit. Es zu erreichen ist schwierig: Maßnahmen wie ESRS, die eigentlich als Hilfestellung für ein nachhaltiges Handeln zugunsten von Natur und Mensch gedacht waren, sind in ihrer Umsetzung problematisch und werden daher in vielen Firmen verstanden als Synonym für: höhere Ausgaben, mehr Bürokratie, kein offensichtlicher Mehrwert.

Ihnen dagegen ist klar, dass unsere Ökonomie von der Natur abhängig ist. Wenn wir weiter gut leben wollen, müssen wir uns für ihren möglichst intakten Erhalt einsetzen. Doch unsere Natur ist in einem kritischen Zustand. Zu ungeniert haben wir uns ihrer Ressourcen bedient. Es bedarf schneller, innovativer und umfassender Reaktionen, um sie zu stabilisieren. Die größten Wirkmöglichkeiten hat die Wirtschaft mit ihrem Einfluss, ihren technischen und finanziellen Mitteln.

Zum Erfolg verdammt.

Naturschutzprojekte erfahren jedoch in so mancher Chefetage gerade nur so viel Akzeptanz, wie die EU erzwingen kann. Sie sind zum Erfolg verdammt, damit der mühselige und ungewohnte Weg von der ökonomisierten Ökologie hin zu einer ökologischen Ökonomie weitergegangen wird. Deshalb ist es wichtig, dass Sie wissen, wie Biodiversität funktioniert. Wie die Menge und Vielfalt an einzelnen Individuen, Arten, ihren Genen und Lebensräumen (so die Definition von Biodiversität) miteinander interagiert.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel erklären.

Sie haben es geschafft, das Thema „Natur“ zur Chefsache zu machen! Sie haben den Vorstand für das Projekt „Blühendes Werksgelände“ gewonnen! Haben den preisgekrönten Landschaftsarchitekten engagiert, der Ihnen bunte, artenreiche, insektenfreundliche, nachhaltige Blumenwiesen entlang der Wege durch das Firmengelände verspricht. Davon würden alle profitieren: Der Natur würde geholfen, die Belegschaft könnte sich am schönen Anblick erfreuen, die Finanzchefin an den eingesparten Gärtnerkosten. Die örtliche Sektion von Bund Naturschutz wird applaudieren, die Presse wohlwollend berichten. Alles richtig gemacht!

Nach zwei Jahren die Katastrophe: Die Blumenwiesen verkümmern, der Pflegeaufwand wird immer größer, von freundlich summenden Insekten keine Spur, und die Kosten sind explodiert. Was ist schiefgelaufen?

Grundlegende Zusammenhänge.

Ihr Landschaftsarchitekt kennt die Gesetze der Biodiversität nicht. Damit steht er übrigens nicht allein da. Vor einigen Jahren hielt ich vor angehenden Agronomen an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der deutschen Kaderschmiede für die Landwirtschaft, einen Vortrag über Biodiversität auf dem Acker. In der anschließenden Diskussion bemerkte ein Student irritiert, dass er zum ersten Mal während seines mehrjährigen Studiums von solch grundlegenden Zusammenhängen erfahren habe…

Warum hätten Ihnen Kenntnisse von der Funktionsweise der Biodiversität in Ökosystemen geholfen, das Desaster mit der Blumenwiese zu verhindern?

Stellen Sie sich ein Ökosystem als eine abgegrenzte Fläche vor, auf der ganz viele Dominosteine kreuz und quer verteilt stehen. Daneben gibt es weitere Dominoflächen, die über einzelne Steine miteinander verbunden sind. Fällt ein einziger Stein, egal wo, auf einer dieser Flächen, werden zum Schluss alle umgerissen sein – auf allen Flächen.

Es geht nicht um Artenkunde, es geht um Prinzipien.

„Wenn ich von Blumenwiesen spreche, geht es nicht um Blumenwiesen, sondern um Prinzipien.“ (R. Günter)

Eine naturnahe, intakte Blumenwiese ist ein hochkomplexes, in sich und mit anderen Systemen vernetztes Ökosystem. Die Tiere und Pflanzen in der Blumenwiese sind entweder Generalisten oder Spezialisten. Generalisten kommen meist gut zurecht; tierische Generalisten z.B. sind nicht auf eine einzige Pflanzenart als Nahrung angewiesen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass für eine nachhaltige Gesundheit der Generalisten und deren Populationen auch mehr als eine Pflanzenart vorhanden sein muss – also eine Vielfalt an Pflanzenarten.

Hat Ihr Landschaftsarchitekt vielleicht zu wenige Pflanzenarten angesetzt?

Tierische Spezialisten sind gefährdeter. Im Laufe von Jahrmillionen haben sie sich an nur sehr wenige oder sogar ausschließlich eine einzige Pflanzenart angepasst. Blumen beispielsweise aus anderen Ländern, egal, wie attraktiv ihre großen und bunten Blüten sind, wären für diese Spezialisten keine Nahrung, sie würden verhungern.

Hat Ihr Landschaftsarchitekt vielleicht solche nicht-heimischen Pflanzen angesetzt?

Die Populationen von Tieren und Pflanzen innerhalb der Blumenwiese müssen im Gleichgewicht sein, um sich gegenseitig regulieren zu können. Dabei spielt sowohl die Anzahl der Individuen einer Art eine Rolle als auch die Diversität der Arten. Ein Beispiel: Findet ein Spezialist zu wenige Futterpflanzen vor, stirbt er mangels Nahrung aus. Aber nicht nur er stirbt: Auch die Tierart, die sich auf unseren Spezialisten als Nahrung spezialisiert hat, wird aussterben. Dann der Jäger der zweiten Tierart. Eine Kaskade setzt sich in Gang – als Folge von komplexen Beziehungen der Tiere zu den Pflanzen sowie der Tiere untereinander. Und alle benötigen verschiedene heimische Pflanzen für ihre Ernährung.

Hat Ihr Landschaftsarchitekt zu wenig „Abwechslung“ auf den Wiesenflächen gepflanzt? Hatte er überhaupt genügend Platz für die vielen unterschiedlichen Pflanzen vorgesehen?

Die „Bio-Logik“ erkennen.

Einer von vielen in einer intakten Biodiversität: der Magerwiesenmargeritenkleinrüssler

Insekten fressen und bestäuben nicht nur Pflanzen, sie nutzen sie auch z. B. als Ablageort für ihre Eier. Dafür gibt es meist nur ein kleines Zeitfenster auf beiden Seiten. Sagen wir mal, dass ein Insekt in Bayern in der zweiten Aprilhälfte seine Eier in eine bestimmte Pflanze legt, deren Knospen zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen sind. Die Eier und später die Larven entwickeln sich dann im Schutz der sich entfaltenden Blüte. Und jetzt stellen wir uns vor, dass es diese Pflanze zwar gibt, sie aber aus Helgoland geholt wurde. Angepasst an die kühle Witterung des Nordens, würde diese Pflanze in Bayern später blühen als ihre wärmeverwöhnte bayerische Verwandte; für die Eiablage des Spezialisten zu spät, er würde aussterben.

Hat Ihr Landschaftsarchitekt vielleicht nicht-regionale Pflanzen gesetzt, deren Wachstumsverlauf nicht zum Fortpflanzungszyklus der hiesigen Insekten passt?

Diese Frageliste ließe sich noch seitenweise fortführen…

Meine Vorträge für Unternehmen.

Der Wink der Fliege – Warum Biodiversität für die Wirtschaft überlebenswichtig ist:
Um nachhaltiges Handeln zu ermöglichen, muss zunächst verstanden werden, wie Biodiversität funktioniert. Angesichts der dramatischen Entwicklung bleibt keine Zeit für kleine Veränderungen – es braucht mutige, umfassende Schritte. Nur die Wirtschaft hat die Hebelwirkung, um diesen Wandel zu gestalten.

Wunder Welt Wiese:
Wiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Natur. Dieser Multivisions-Vortrag vermittelt auf unterhaltsame und anschauliche Weise die faszinierenden Wechselwirkungen zwischen Tieren und den Pflanzen, von denen sie abhängen. Eindrucksvolle, teils einzigartige Fotografien machen diese komplexen Zusammenhänge greifbar.

Akteure am Ackerrand:
Der Verlust der biologischen Vielfalt in unseren Agrarlandschaften zählt zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Pestizide wie Glyphosat und Neonicotinoide bedrohen die Lebensräume unzähliger Arten. Dieser Multivisions-Vortrag beleuchtet die dramatischen Auswirkungen des Insektensterbens und zeigt eindrucksvoll, warum ein Umdenken dringend erforderlich ist.

Fazit.

Bevor Sie jetzt resigniert zum Projekt „Asphaltierung des Firmengeländes“ übergehen oder sich für den Rest Ihres Lebens zurückziehen, um alles zu lernen über die Magerwiesenmargeritenkleinrüsslererzwespe (ja, die gibt es wirklich!): Sie haben einen Einblick bekommen, warum Biodiversität in jeder Hinsicht Grundvoraussetzung ist für ein intaktes Ökosystem, und die „Bio-Logik“ hinter der Biodiversität entdeckt. Mit diesem Wissen können Sie bei der Planung zukünftiger Naturschutzprojekte die richtigen Fragen stellen, um echte Fachleute von Blendern zu unterscheiden und die bewilligten Mittel gewinnbringend, da nachhaltig, einzusetzen.

Lerne Roland Günter kennen.

Roland ist Experte für Biodiversität, Vortragsredner und Fotojournalist. Für die Erforschung der Natur liegt er auch schon mal zehn-Stunden-am-Tag-sieben-Tage-die-Woche-mehrere- Monate-lang in einer Blumenwiese und dokumentiert das dortige Treiben. Seine Multivisionsvorträge haben bereits zehntausende BesucherInnen begeistert.

Roland begeistert mit einer seiner bekannten Keynotes.

Weitere Beiträge aus dem ESG Blog.

Empfohlene Fachartikel von Prof. Dr. Gleißner im Überblick.

Heute veröffentlicht: Die ESG Biodiversitätsbibel – Dein Kompass für Biodiversität im ESG-Kontext.

Rewilding mit rewild – Geschädigte Ökosysteme regenerieren.

Mein Lesetipp: Das große Handbuch Nachhaltigkeit von Benno van Aerssen, Christian Buchholz & Malvine Klecha.

Biodiversität messbar machen mittels KI – lerne den Insector kennen.

Mein Lesetipp: My First Year as a Sustainability Manager von Niels Christiansen und Vera Pichler.

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